Ein großer, aber kein allzu großer Film
Die Optik ist wirklich beeindruckend: Wenn die Kamera den Zuschauer aus großen Höhen hinabblicken lässt, kann einem schon schwindelig werden, auch wenn man nicht in der 3D-Vorstellung sitzt. Überwältigende Farbenpracht überzieht fantasievolle Szenerien. Die eleganten Bewegungen der schlacksigen Außerirdischen wirken (größtenteils) natürlich und erinnern nicht, wie es sonst oft bei computergenerierten Wesen der Fall ist, an irgendeinen mittelmäßigen Egoshooter. Besonders gefällt mir die Darstellung des Überdimensionalen: die riesigen Fahrzeuge, die im Hintergrund vorbeirollen, die klobigen Schiffe, die ächzend vom Boden abheben, die mächtigen Bäume des Urwaldes von Pandora, die hochgewachsenen Na’Vi: das alles wirkt echt, und die Menschen, jene im Film und wir als Betrachter, bleiben zerbrechlich winzig, demütig und staunend zurück.
Aber ein Film hat, außer Bilder zu zeigen, mindestens noch eine weitere Aufgabe: eine Geschichte zu erzählen. Und wenn der Film groß sein will, muss er die Geschichte gut erzählen, damit wir vergessen können, dass wir sie längst kennen. Hierbei versagt Avatar. Ihm gelingt es nicht, den Zuschauer zum Miterleben, zum Mitfühlen aus dem Kinosessel zu holen. Es wird gezeigt, wie Jake mehr und mehr in das Leben der Na’Vi hineinwächst, wie er ihre Bräuche übernimmt und ihre Fertigkeiten lernt, aber man weiß nicht, was in ihm vorgeht und was ihn bewegt, und so wirkt sein Gehabe innerhalb des Stammes dieses Naturvolkes aufgesetzt, unehrlich, fast überheblich, so sehr er auch seine Aufrichtigkeit in öffentlichen Ansprachen oder in seinem Videotagebuch beteuert. Es wird die brutale Zerstörung des großen Baumes durch die Menschen gezeigt, aber welches Leid sie für die Na’Vi bedeutet, bleibt in den Nebeln des Pulverrauchs verborgen. Es wird gezeigt, wie Freunde und Kameraden sterben und bestenfalls im Anschluss Gesichter, in denen man Trauer lesen kann. Aber die Trauer, das Herzzerreißende, das Gefühl der Ohnmacht und der Wut, das alles dringt nicht in den Zuschauer ein. Und warum ist das so? Weil man in der üppig zur Verfügung stehenden Spielzeit doch nicht die Zeit findet, hier und da einmal innezuhalten, auf einem Moment auszuruhen, ihn voll und ganz auszumalen. Stattdessen folgt schon das nächste gewaltige und farbenprächtige Bild.
Und so bin ich eben wieder nur der Betrachter, dem dann Parallelen zu bekannten Geschichten unangenehm auffallen. Ich musste nur allzu oft an Winnetou und Old Shatterhand denken: technisch unterlegene Indianer, die bösen Weißen, ein unerfahrener Knilch, der in den fremden Lebensraum eines Naturvolkes eindringt, ihre jahrelang trainierten Fähigkeiten im Handumdrehen erlernt, alle Krieger mit Leichtigkeit übertrumpft, trotzdem verehrt und geliebt wird und mit allen hübsch Freundschaft schließt – oh Mann, hab ich damals diesen Old Shatterhand gehasst, und nicht viel anders geht es mir mit Jake in Avatar.
Und wie immer, wenn man zu einer nicht ganz so positiven Bewertung tendiert, sind es dann letzte Kleinigkeiten, die den Ausschlag geben. Die präsentieren sich massiv in der finalen Schlacht Mensch gegen Na’Vi. Abgesehen davon, dass unklar bleibt, was der Bodeneinsatz seitens der Menschen überhaupt soll, denn der Plan ist ja, dicke Bombe werfen und ab dafür, fällt den Na’Vi nichts besseres ein, als mit Gebrüll auf den übermächtigen Feind zuzurennen, wo doch Jake am Vorabend noch vor seinen Stammesbrüdern davon sprach, man wolle irgendwie den Heimvorteil nutzen. In der Luft sieht es ebenso einfallslos aus: man lauert hinter fliegenden Felsbrocken und stürzt sich auf den Feind, als der vorbeikommt. Also, das haben die Ewoks seinerzeit doch deutlich cleverer angestellt! Darüber hinaus durchschlagen plötzlich die Waffen der Na’Vi die Scheiben der Menschenflugzeuge, während sie vorher wirkungslos abprallten, die entscheidenen Schläge gelingen Jake mit Handgranaten aus menschlicher Fertigung, und am Ende erledigt doch alles die Natur, indem sie ihre Kreaturen auf die Menschen hetzt, was alles intelligente Bemühen zwecklos erscheinen lässt – was fein wäre, wenn das das Thema des Films gewesen wäre.
Spätestens wenn am Ende das Titellied erklingt, das wirklich arg an Celine Dions „Near, Far, Wherever You Are“ erinnert, ist klar: es ist doch nur ein James Cameron. (Text erstellt von johann)